Donnerstag, 16. August 2007

Henry Miller (* 1891; † 1980)


"Ich hatte Gott nicht nötiger als Er mich, und wenn es einen gäbe, sagte ich mir oft, würde ich ihm ruhig entgegentreten und Ihm ins Gesicht spucken" (Tropic of Capricorn).


Kurt Koma:

Henry Miller gehört für mich auf jeden Fall zu den wichtigsten literarischen Einflüssen meiner Jugend. Von Bukowski kam ich irgendwann fast automatisch zu Miller, den ich der klassischen Adoleszenzliteratur zuschreiben würde.

In seinen autobiographischen, in der ersten Person geschriebenen, Büchern, ob „Tropic of Cancer“, Tropic of Capricorn oder „Quiet Days in Clichy“ wird ein Lifestyle propagiert, der wohl als das pure Gegenteil der bürgerlichen Norm gelten kann. Und genau in dieser Hinwegsetzung über das Gut-Bürgerliche, in den lebensbejahenden, tagebuchhaften Anekdoten Millers, die einem meist etwas ungeordnet erscheinen, liegt die Faszination dieses Autors. Kurz gesagt: Miller führt ein Leben des radikalen Hedonismus, das die Wenigsten von uns führen und daher speziell auf junge Menschen so unglaublich anziehend wirkt.

Für mich war Miller immer mein positives Gegengift zu suizidalen Gedanken und zu Literatur von Thomas Bernhard oder Michel Houellebecq. Dieser extreme, nihilistische Hedonismus – wenn Miller sich freut, wenn einer seiner Freunde stirbt, nur weil er ihm Geld schuldete oder wenn er sich in „Tropic of Cancer“ über den Tod eines Bekannten köstlich amüsiert, da dessen Tod genau so lächerlich sei, wie sein ganzes Leben verlaufen war – überschreitet einerseits moralisch gesehen die Grenze des guten Geschmacks, wirkt andererseits aber ungemein anziehend.

Von Zeit zu Zeit geht einem diese Selbstinszenierung Millers natürlich auch auf die Nerven. In „Sexus“, einem seiner schwächsten Bücher, beschreibt er in lustigem Tonfall, wie seine Frau versuchte, sich umzubringen, während er mit seiner Geliebten schlief. In diesem Roman stilisiert er sich selbst zu einem unsympathischen, sexbesessenen Egomanen, dem die Folgen seines Handelns absolut gleichgültig sind und einzig und allein sein persönliches Genussmoment von Bedeutung ist. Diese zugegebenermaßen abstoßende Art seines Wesens, die in manchen Passagen – vor allem Sexus – zu Tage tritt, schmälert aber nicht wirklich die Außergewöhnlichkeit seines Werks und die Anziehung von Millers propagiertem Lebensmodell.


Marco:

Henry Miller, pour moi, c'est avant tout des livres qui regorgent d'une force incroyable: une écriture riche et dynamique, un langage des fois très cru, mais surtout le passage à témoin d'un art de vivre (je pense surtout à ses deux Tropiques et à Jours tranquilles à Clichy). En ce qui concerne Sexus, il est vrai que la surenchère d'auto-personnification de Miller peut lasser, mais ce livre est un coup-de-pied au cul du monde bien pensant, et l'exagération inhérente à ce bouquin permet à Miller de faire passer sa philosophie de vie, de manière certes bien moins subtile que dans d'autres de ses oeuvres. Par ailleurs, les deux autres oeuvres de cette trilogie (à savoir Nexus et Plexus) laissent transaparaître un autre homme, un Miller oscillant entre phases euphoriques et profondes dépressions, celui qui tombe follement amoureux de Mona et qui cette fois n'est point manipulateur mais le manipulé, celui qui dépeint ses amis sans concession mais parfois aussi avec une grande tendresse... Anaïs Nin déplorait souvent que finalement Miller bâtissait un personnage dans ses livres qui n'était pas vraiment lui et je pense que pour cerner au mieux le personnage, il faut faire la part des choses de ce que l'on trouve dans ses oeuvres.
Ce qui définit vraiment Miller pour moi, c'est donc ce "je m'en foutisme" matériel et quelque fois il est vrai émotionnel couplé à une infinie soif d'aventure et de connaissance, et surtout cette perpétuelle recherche de soi-même. Rares sont les livres capables d'insufler une nouvelle énergie dans nos vies, mais quelques oeuvres de Miller en font assurément partie.

P.S. : Le passage du début du Tropique du Capricorne que tu as choisi fait également partie de mes citations préférées, mais c'est surtout tout le début de ce livre que je trouve absolument magnifique et génial (le meilleur début de livre tous confondus pour moi pour l'instant).


Kurt Koma:

Definitiv hast Du mit deiner Theorie Recht, dass Miller zu den wenigen Autoren gehört, die uns inspirieren und einen Einfluss auf unser Leben haben können. Selten hab ich Bücher gelesen, die so einen Lebensdrang ausstrahlen können und dies auch noch auf einen selbst übertragen können. Dies in Kombination mit der Hinwegsetzung über gesellschaftliche Zwänge macht seinen Reiz aus.

Den „materiellen Nihilismus“ kann ich auch bestens nachvollziehen und befürworte ihn auch – nur stoße ich bei Miller, wie gesagt, in manchen Bereichen an meine Toleranzgrenze. Wie Du ja geschrieben hast, stellt sich Miller in den zwei anderen Romanen seiner Trilogie (Plexus und Nexus) als absolut anders, als gefühlvoll und gütig dar. Ich denke, dass einerseits diese extreme Emotionalität und andererseits dieser „emotionale Nihilismus“ ein inneres Miller’sches Paradox bilden, wobei diese charakterlichen Extremformen natürlich nicht mit der Person Henry Miller gleichgesetzt werden dürfen (wie hätte Anaïs das auch aushalten sollen?).

Es muss wohl seine innere Zerrissenheit gewesen sein, die ihn zu dieser zwiespältigen Darstellung gezwungen hat, und man sollte sich diese selbstinszenatorischen Passagen wohl nicht so zu Herzen nehmen…. Andererseits komme ich des öfteren zum Gedanken, dass dieser Teil seiner literarischen Persönlichkeit, den er in Sexus auf die Spitze getrieben hat, sein restliches Werk in irgendeiner Form diskreditiert. Ich glaube, dass Sexus auch das letzte Buch war, das ich von ihm gelesen habe, womit ich vielleicht den Fehler begangen habe, Sexus als eigenständiges, in sich schlüssiges und abgeschlossenes Werk zu betrachten und nicht als Trilogie, wie es von Miller ja gedacht war.



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